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illiardenschäden durch Alkoholmissbrauch

Ärzte Zeitung, 16.06.2003

Berliner Wissenschaftler haben versucht, Kosten für medizinische Behandlung und Arbeitsunfähigkeit zu berechnen.

BERLIN. Alkoholmissbrauch in Deutschland: Lassen sich die entstehenden Kosten überhaupt berechnen? Die Datenlage ist schwierig, Dennoch haben sich Dr. Kerstin Horch und Dr. Eckardt Bergmann in einer Studie, die als Dissertation am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der FU Berlin eingereicht worden ist, an das Problem herangewagt. Ihre These: Alkoholmissbrauch verursacht in Deutschland volkswirtschaftliche Schäden von jährlich mindestens 20 Milliarden Euro.

Von Hermann Müller

Um welche Kosten geht es, wenn ökonomische Folgen des Alkoholmissbrauchs analysiert werden? Es geht um Ausgaben für die medizinische Behandlung, Arbeitsunfähigkeit, Invalidität und vorzeitige Mortalität. Das sind laut Horch/Bergmann 1,13 Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts (BSP) von 1791,79 Milliarden Euro (2001).

Mit dem jährlichen Pro-Kopf-Konsum von elf Litern reinem Alkohol nimmt Deutschland im europäischen Vergleich eine Spitzenposition ein. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Gesundheit sind etwa 1,6 Millionen Menschen behandlungsbedürftige Alkoholiker.

Hinzu komme eine remittierte Alkoholabhängigkeit von 3,2 Millionen Deutschen, so dass insgesamt 4,8 Millionen der 80 Millionen Einwohner einmal in ihrem Leben alkoholabhängig waren. "Die finanziellen Folgen alkoholbezogener Krankheiten für die Gesellschaft wurden in Deutschland bisher nicht analysiert", schreiben die beiden Wissenschaftler und verweisen auf Angaben in der Literatur, die zwischen fünf und 50 Milliarden Euro schwanken.

In ihrer Analyse haben Horch/Bergmann unter anderem Sterbetafeln, Todesursachenstatistiken, Krankendiagnosestatistiken (Statistisches Bundesamt), die Arbeitsunfähigkeitsstatistik (Bundesministerium für Gesundheit) und die Reha-Statistik (Verband der Deutschen Rentenversicherer) und die Versorgung von Alkoholkranken im niedergelassenen Bereich ausgewertet und durch eigene Berechnungen ergänzt. 

Von den durch einen übermäßigen Alkoholkonsum verursachten Folgeschäden entfallen 7,9 Milliarden Euro auf direkte Kosten: 1,9 Milliarden Euro auf die stationäre Versorgung von jährlich etwa einer halben Millionen Menschen (für Suchtentwöhnung und medizinische Betreuung), 1,6 Milliarden Euro auf die ambulante medizinische, psychosoziale Behandlung (einschließlich Medikamente) sowie Sachschäden unter Einfluss von Alkohol von 1,95 Milliarden Euro.

Der größere Teil der Folgeschäden von 12,7 Milliarden Euro geht auf indirekte Kosten zurück. Dazu gehören etwa eine vorzeitige Mortalität (sieben Milliarden Euro), Frühberentung (3,1 Milliarden Euro) und Arbeitsunfähigkeit (1,3 Milliarden Euro). Der volkswirtschaftliche Verlust durch vorzeitige Todesfälle in Höhe von sieben Milliarden Euro entspricht etwa den finanziellen Aufwendungen für die medizinische Betreuung und Behandlung. Hinter diesen Zahlen verbergen sich jährlich 42 000 Tote mit 900 000 verlorenen Lebensjahren und 285 000 verlorenen Erwerbstätigkeitsjahren. Die meisten Patienten befinden sich im mittleren Lebensabschnitt. 

In ihrer Studie stießen die Berliner Forscher auf einige wichtige Aspekte. Da Männer häufiger als Frauen zum riskanten Alkoholkonsum neigen und gleichzeitig höhere Durchschnittseinkommen erwirtschaften, verursachen sie einen Hauptteil der Folgekosten. Männer befinden sich durchschnittlich 14 Tage länger als Frauen in der Rehabilitation - vor allem zur Entwöhnung. Bei der Mortalität sind die Unterschiede besonders groß. Durch verlorene Lebens- und Erwerbstätigkeitsjahre verursachen Männer jährliche Folgekosten von 6,1 Milliarden Euro, Frauen dagegen 850 Millionen Euro.

Ein riskanter Alkoholgenuss findet vor allem im mittleren Lebensalter statt. Am meisten konsumieren die etwa 50-Jährigen, Raucher mehr als Nichtraucher und in höheren sozialen Schichten wird mehr Alkohol getrunken als in unteren. Als Folge der Alkoholsucht registrieren die Betriebe Fehlzeiten von jährlich 18,9 Millionen Tagen, das sind 3,8 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage. Im Osten ist die Zahl der Fehltage bei Frauen deutlich höher. Der Grund: eine höhere Erwerbstätigkeit.

FAZIT:
Die Ermittlung der Folgekosten des Alkoholmissbrauchs ist aufgrund der Datenlage schwierig. Während die Todesursachenstatistik ausreichend differenzierte Informationen enthalte, so Hoch/Bergmann, sei die Datenlage bei der Morbidität "wesentlich schlechter". So fehlten häufig Angaben zu Altersgruppen, Geschlecht und Region. Vor allem in der Unfallversicherung fehlten zuverlässige Daten. Bei den Folgeschäden von jährlich 20 Milliarden Euro müsse man daher von einer "unteren Schätzung" ausgehen, so die Wissenschaftler. (HML)

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Suchtprobleme in Deutschland (Bild: Gesundheitskosten, Tabelle)

Weitere Berichte dazu:

Kosten alkoholassoziierter Krankheiten -  Schätzungen für Deutschland
(2002, 147 S., 1,4 MB-pdf) ISBN 3-89606-136-4

Kosten alkoholassoziierter Krankheiten, Robert Koch-Institut
Dr. Eckard Bergmann und Dr. Kerstin Horch (2002, 50 S, pdf)

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